Galeriebrief 2/2014

1. April bis 24. Mai 2014

Working on paper.

Sylvia Plimack Mangold   Robert Mangold

Die Bahnlinie heisst Metro North. Sie führt dem Hudson River entlang ins Hudson Valley. Schon seit mehr als dreissig Jahre fahren wir im Frühling, im Herbst, einmal oder zweimal fast jedes Jahr zu Sylvia und Robert Mangold. Studio visit umschreibt diese Tagesreisen nur mangelhaft. Für einige Stunden lassen wir die Kunsthauptstadt New York hinter uns. Hauptstadt der Behauptungen könnte man sagen, denn längst geht der Diskurs ins Leere, der dieser Kunstszene wertend auf den Leib rücken möchte.

Wir besuchen die Mangold’s in ihrem Lebensraum und Arbeitsraum. Das niedrige Farmhaus in hügeligem Gelände, in dem sich neben den Wohnräumen auch das Studio von Sylvia Plimack Mangold befindet und die rotbraune Barn, in die das fensterlose Oberlichtstudio von Robert Mangold eingesetzt ist, dieser räumliche Rahmen vermittelt Stetigkeit, Aufmerksamkeit, Intensität.

Hier wird Kunst nicht nur geschaffen, hier ist Kunst eine Lebensweise. An den Wänden des Wohnhauses finden sich schöne kleine Werke von Künstlern, die zum Freundeskreis gehören oder gehörten, aber auch Zeichnungen, Holzschnitte und Radierungen von Corinth, Feininger und Albers. Die Sammlung, aus Künstlersicht zusammengetragen, führt ein in jene Atmosphäre, die den Bewohnern lieb ist.

Mitte der siebziger Jahre, nach dreizehn wichtigen Jahren in der City und somit in der damals dichten und signifikanten Art Community, sind Sylvia Plimack Mangold und Robert Mangold hierher gezogen. Sicher waren sie der Ueberzeugung, dass dies eine, ihrem Schaffen förderliche Distanzierung bedeutete. Das Kunstleben von New York blieb immer in Reichweite, die eigenen Werke aber brauchten nicht dessen ständige und hautnahe Beglaubigung.

Trotzdem, der Rechtfertigung des eigenen Schaffens kann sich der Künstler niemals entziehen. Die Lebensgemeinschaft des Künstlerpaares ist der Virulenz und der Verantwortung, die das Thema vorgibt ständig ausgesetzt. Robert Mangold hat sich gegenüber Richard Shiff dazu wie folgt geäussert: «Sylvia and I curiously were doing work that was both very different and in ways very related. I’m not sure we can recall the exchanges we had, but over the years there has been many cross influences, we have learned a great deal from each others work.»

Für uns ist das Betreten des Ateliers von Robert Mangold jedesmal ein besonderes Ereignis. Es ist ein Gefäss, das einem stimmigen Resonanzraum gleicht. Nirgendwo entfalten die grosszügigen Leinwände ihre Überzeugungskraft besser, als an diesem Ort. Intuition, Planung, Ausführung vereinigen sich zur gültigen Form. Was aber wirklich zählt ist die Überraschung, die sich vor jeder neuen Werkgruppe einstellt. Einige schöne Zeichnungen und Pastelle an einer Studiowand haben zwar eine Vorahnung gegeben, aber die eindringliche und selbstverständliche Präsenz der Bilder ist nur hier und jetzt zu erfahren. Diese Arbeiten haben eine feste, selbsttragende Basis. Die historische Zäsur, die in den sechziger Jahren die Welt der Kunst erschütterte, hatte Mangold dazu veranlasst, an der Malerei festzuhalten. Erneuerung sah er in der Analyse und schöpferischen Beschäftigung mit den Mitteln, durch die sich Bilder definieren. So entstand ein eindrucksvolles und fundiertes Gebäude, dem immer wieder neue Räume eingefügt werden, ein Lebenswerk, reich und voller vielfältiger Facetten.

Das Studio von Sylvia Plimack Mangold ist durchlässiger, nach aussen gerichtet. Es findet seine Fortsetzung vor den Baumgruppen, oder besser den genau definierten Baumkonstellationen in der nächsten Umgebung des Hauses. Für die Malerei von Sylvia sind wenige Motive als stabile visuelle Referenz von grosser Wichtigkeit. Sie gehören zum unmittelbaren Lebensraum und bieten sich an zur tagtäglichen Begegnung. In New York, in den späten sechziger und frühen siebziger Jahren entstanden grossartige Bilder und Zeichnungen, welche anhand von sorgfältig bestimmten Auschnitten, vorgefunden im Loft, das von den Künstlern bewohnt wurde, Exerzitien visueller Erkenntnis offerieren. Nicht zu übersehen ist jedoch, dass dies keine konzeptionellen Entwürfe sind, sondern dass in sehr persönlicher und lustvoller Art und Weise die Mittel und Traditionen realistischer Malerei dem Artefakt Erfülltheit, Tiefe und Schönheit verleihen. Zwischen 1977 und 1985 erkundeten die Malereien von Sylvia Plimack Mangold die neue, ländliche Umgebung. Ab 1986 fand eine Fokussierung statt. Die Motive werden nun präzise abgegrenzt und benannt. «The Locust Tree», «The Linden Tree», «The Locust Tree with Maple», «The Elm Tree». Sichtbar ist eine Befreiung und Differenzierung des Farbauftrages, eine Verdichtung der malerischen Oberflächen. Der tätige Dialog der Malerin mit der jeweiligen Leinwand erstreckt sich über lange Zeiträume. Es enstehen Sommerbilder, Winterbilder. Jahreszeiten und Lebenszeit bereichern die Substanz dieser Werke.

Demzufolge treffen wir beim Besuch des Studios nie auf viele Bilder. Umsomehr ist es ein Privileg, am Werden und an der Vollendung der Werke als Betrachter teilzuhaben.

Die Arbeiten auf Papier, die in unserer Ausstellung zu sehen sind, repräsentieren in gültiger Weise verschiedene Arbeitsphasen von Sylvia Plimack Mangold und von Robert Mangold. 

Ausstellungen

Fred Sandback   Zeichnungen
Kunstmuseum Winterthur  10. Mai – 27. Juli 2014
Anschliessend Albers Museum Bottrop und Museum Wiesbaden