Galeriebrief 3/2009

9. Oktober bis 28. November 2009

Giulio Paolini (1940* Genua, lebt und arbeitet in Turin)
Aula di disegno (Happy Days) 2006.

Ein Anlass, diese wichtige Arbeit in Zürich zu realisieren, ist die ideale architektonische Disposition der Galerie, ihre vier symmetrisch angelegten Räume. Zudem ist das Werk ein Hort vieler Themen und Formulierungen, die den Künstler seit den sechziger Jahren beschäftigen. Erkennbar wird, wo sie ihren Ursprung haben, wie sie verbunden, verschränkt, akkumuliert werden. Eine signifikante Einzelheit von «Aula di disegno», die das merkwürdige, in Klammern gesetzte «Happy Days» zu erklären vermag, ist aber sicher für Giulio Paolini zusätzlicher und ausschlaggebender Faktor gewesen, um eben diese Installation zum jetzigen Zeitpunkt in unseren Galerieräumen aufzubauen. Ein geheimnisvolles Détail eines «disegno» findet sich im Fokus der Installation. Es ist ein Ausschnitt aus einer kleinen Zeichnung von Sol LeWitt auf der Rückseite eines Postkartengrusses an Giulio «Happy Days in '06, Sol». Eine schöne, persönliche Grundierung, welche im Werkzusammenhang ihre anekdotische Konnotation verliert und auf vielen Ebenen aussagekräftig wird. Mit den «Paragraphs on Conceptual Art» hat Sol LeWitt 1967 klar und kurz gefasst neue Fundierungen künstlerischer Arbeit aufgezeigt. Die Konsequenzen und Auswirkungen dieser bahnbrechenden Strategien sind auch heute noch virulent, wenn auch leider oft in banalisierter Form. Während Sol LeWitt mit Traditionen bricht und einen Freiraum zur Entfaltung unvorhersehbarer neuer Formen und Wege öffnen will, initiiert Giulio Paolini ebenfalls eine subtile und präzise Art konzeptionellen Denkens und Arbeitens. Bis heute führt er sein gesamtes Schaffen auf «Disegno Geometrico» von 1960 zurück. Unverhohlen knüpft sein Ansatz an die grosse Tradition des «Disegno» an, die im lateinischen Kulturraum Ursprung und höchste Entfaltung gefunden hatte.

Zu erwähnen ist, dass Paolini 1973 und LeWitt 1975 erstmals mit einer Einzelausstellung in der Galerie Verna zu Gast waren. Eine Dreieckskonstellation, die von Freundschaft und gegenseitiger Wertschätzung geprägt ist.

Giorgio Vasari (1511-1574) preist «Disegno» als das «aktiv schöpferische Prinzip in den bildenden Künsten». Und «Disegno» bezeichnet eine Leitfunktion im Zusammenspiel der Künste. Der Vorrang der Zeichnung, «primato del disegno», prägte die Kunsttheorie Italiens seit der Renaissance. Nun ist aber Paolini keineswegs daran interessiert, sich diesen Theorien und Traktaten einfach anzuschliessen. Seine Leistung besteht darin, die Traditionen zu transformieren und als Aggregate für eine aktuelle Bildsprache zu nutzen, die ihre Relevanz an sorgfältig reflektierten Wertmasstäben zu messen vermag. Im Italienischen hat «Disegno» eine weitgefächerte Bedeutung: Zeichenkunst und Zeichnung, Entwurf, Plan und Idee. Durch das «Disegno» gewinnt das Erdachte seine Anschaulichkeit.

Die Aula, zu der die Galerie geworden ist hat aber keine belehrende Aufgabe. Denn nur Kunst lehrt Kunst. In ihrem Zentrum sind deshalb Werke von Paolini ausgebreitet, von 1969 bis 2009. Die Auffassung, dass Kunst sich immer auf Kunst bezieht, ebenso wie die folgende These, kann heute als bedenkenswerte Provokation empfunden werden. Notwendigerweise ist der Künstler eine Kunstfigur und sein Name lediglich ein Wiederhall im Echoraum des Kunstsystems. Identität erlangt er einzig durch das, was er mit seinen Erfindungen einzubringen vermag.

Ausstellungen:

16. November 2008 – 2033
Sol LeWitt
A Wall Drawing Retrospective

Yale University Art Gallery und Williams College Museum of Art

Ree Morton, Drawing Center NY
Robert Mangold, Albright - Knox Art Gallery, Buffalo
Sol LeWitt, Brooke Alexander NY
Sylvia Plimack Mangold
and Lovis Corinth bei
Alexander and Bonin, NY