Galeriebrief 4/2008

16. September bis 22. November 2008

RICHARD TUTTLE (1941* USA) Craft

«Say it ! No ideas but in things.» (William Carlos Williams «Paterson» 1946) Keine Ideen, die von den Dingen separiert, abgelöst werden können. Keine Objekte, keine Gegenstände, nur Dinge, selbstverständlich und unverständlich, mit einem wichtigen Anteil von Unentscheidbarkeit versehen. Sie sind, weil sie Kunst sind. Material und Zeichen, gefunden und zum Werk geformt, klein und mit einer internen Struktur ausgestattet, komplex und äusserst differenziert.

«Craft» – Richard Tuttle hat den fünfzehn Werken dieser Ausstellung diese Bezeichnung mitgegeben.

Der Versuch, etwas zu beschreiben, was als Beschreibung seiner selbst existiert ist fragwürdig. Trotzdem, einige Attribute dieser seltsamen Wesen lassen sich hervorheben und beinahe generalisieren. Farbe, auch als Material angewendet, Farbflecken, Farbtupfer spielen eine Rolle, manchmal auf feine transparente Netze gesetzt. Formrelikte, Fundstücke werden in dieser Weise integriert, zusammengefasst. Linien, Verbindungen, Entsprechungen sind hier und da auszumachen. Jedes Werk bildet ein dichtes, kleines Zentrum und ist in einer exakt bezeichneten Höhe mit einem Träger auf einer kreisförmigen bemalten Fläche an der Wand angebracht. Tiefe wird spürbar, Volumen, das der festen Wand Durchlässigkeit abzugewinnen vermag. Raum, Räumlichkeit wird nicht abgegrenzt oder eingefasst, sondern entsteht durch Ausdehnung, ist gleichsam nach aussen gekehrt.

Bei einigen Arbeiten eine Assoziation mit Insekten zu wagen ist gefährlich. Es geht um das konzentrierte Potential dieser Werke, die einen vitalen Punkt in einem Kraftfeld besetzen und ihr Umfeld, ihre Umgebung beanspruchen und aktivieren. Die Mobilität ist dabei Angelegenheit des Betrachters. Seinen Standpunkt wird er vor dem einzelnen Werk und in der Ausstellung häufig ändern, um mit dieser Situation zu Rande zu kommen.

Dem fragilen Ding Geltung und Gültigkeit anzuvertrauen, ohne diesem Finalität und Abgeschlossenheit anzulasten, das leistet die Kunst von Richard Tuttle. Der Saum, die Zonen, die berührt, die Uebergänge, die angestossen, einbezogen werden, öffnen und verändern die Massstäblichkeit des Werks. Die Widersprüchlichkeit und Vermessenheit einer Eins zu Eins Kunst  und das Pathos einer Kunst, die geliehene Bedeutungen und Einsichten zu vermitteln vermeint sind hier nicht vorzufinden. Einsichten sind aber durchaus zu haben, hier und jetzt.
Ein hoher Anspruch ist Voraussetzung dieser Kunstausübung. Ein Zugang über Denk- und Sehgewohnheiten ist verwehrt und Wiedererkennbarkeit vermittels Wiederholung beinahe ausgeschlossen. Jede Werkgruppe will Ort für Neues, so noch nie Dagewesenes sein. Allein schon die seltsame und merkwürdige Gestalt des Neuen, das nicht der Beliebigkeit verfallen darf, nötigt den Künstler zu Disziplin und Präzision. In jedem einzelnen Fall ist es das Gelingen, das der intensiven Anstrengung ihr Gewicht zu nehmen vermag, ohne aber diesen scheinbaren Widerspruch vollständig auszuräumen.

40 Jahre Annemarie Verna Galerie   1969 - 2009     –    Einzelausstellungen mit Richard Tuttle
1974, 1979, 1981, 1984, 1987, 1988, 1990, 1992, 1994, 1996, 1998, 2000, 2001, 2003, 2006, 2008

Ausstellungshinweise:

14.09. – 23.11.2008  Richard Tuttle, The Use of Time, Kunsthaus Zug, Zug CH

14.09. – 16.11.2008  Rita McBride, Museum Abteiberg, Moenchengladbach DE (Monografie)

Eröffnung 16. November 2008
Sol LeWitt:

A Wall Drawing Retrospective
Eine Zusammenarbeit zwischen Yale University Art Gallery, MASS MoCA, und dem Williams College Museum of Art