Galeriebrief 1/2012

21. Februar bis 21. April 2012

Corner Constructions | Fred Sandback (Bronxville, New York, 1943-2003)
baute seine Skulpturen in Räumen, die ihm durch die Umstände seines künstlerischen Schaffens zugefallen sind, ihm zur Verfügung gestellt wurden. Während einiger Zeit bot das Fred Sandback Museum, Winchendon ganz besondere Möglichkeiten. Es war dies eine merkwürdige und bemerkenswerte Institution, unterstützt und finanziert durch die Dia Art Foundation. Das Gebäude mit seinen vielen Räumen hatte vorher anderen Zwecken gedient.

Manchmal war das Studio der Ort, um einfache Werke zu erproben und zu definieren. Architektonische Gegebenheiten und Ausstellungssituationen in Galerien, Museen und Kunsthallen, alles andere als perfekte «White Cubes», bildeten aber in den meisten Fällen feste Vorgaben für die temporäre Einrichtung der Werke. Zuweilen waren Wohnräume Anlass zu einer Vorgehensweise, die private Motive und Hinweise der Sammler miteinbezog. Das Normale erwies sich durchaus als das Besondere und Fred Sandback mochte und sammelte diese Besonderheiten.

Seit den siebziger Jahren ist schwarzes, weisses und farbiges Acrylgarn in einem oder in mehreren Strängen sein bevorzugtes Arbeitsmaterial. Es ermöglicht eine feine Differenzierung der Sichtbarkeit der Skulpturen, die sich die vorgefundenen Standorte und zuweilen auch lediglich Teilaspekte von Räumen gleichsam aneignen.

Dass Fred Sandback sich als «Sculptor» und seine Werke als «Sculptures» (die deutsche Bezeichnung Bildhauer und Bildhauerei ist missverständlich) gesehen hat, ist vielleicht befremdlich, aber insofern aussagekräftig, als auf dem Hintergrund dieser Terminologie deutlich wird, was als Werkstoff vorhanden und was abwesend ist und dass Leere und Zwischenraum durchaus formbar sind.

Trotz äusserster Ökonomie verleugnet das Acrylgarn keineswegs seine Beschaffenheit und seine Herkunft, leicht ausfasernd erinnert es an mit einem weichen Stift gezogene Linien. Es überzeugt also durch seine Erscheinungsweise, seine Zweckmässigkeit und seine Tauglichkeit.

Bei frühen Arbeiten von Fred Sandback werden die materialbedingten Einschränkungen manchmal überlistet. Bald aber sind die beschränkten formalen Möglichkeiten eine willkommene und keineswegs nebensächliche Kondition für die Entfaltung des formalen Vokabulars. Zwar kennzeichnet die gewählte Formsetzung ein Werk, doch übernimmt sie lediglich eine Rolle und nicht die Hauptrolle. Viele Aspekte sind situationsbestimmt und situationsabhängig. Die Skulptur ist ein Eingriff in einen vorgefundenen architektonischen Raum, der dadurch Teil eines Ganzen wird. Sie will nicht mit Material Raum verdrängen, zu Umraum oder Präsentationsraum degradieren. Die Linien, die eine in sich konsistente Präsenz markieren, manchmal sichtbar, manchmal beinahe unsichtbar, bewirken, dass ein Ort entsteht, der Eigenschaften preisgibt, die vorher nicht wahrnehmbar, nicht erfahrbar waren.

Ist somit ein abstraktes Potenzial von Räumlichkeit anschaulich oder gewissermassen konkret geworden? Bedeuten diese knappen und präzis gesetzten Formulierungen die Einführung einer wahrnehmungsbedingten ästhetischen Reflexionsebene, die zu neuen Unterscheidungen führt und die Zusammenhänge anders sondiert? Oder ist diese Erfahrung das Resultat der Projektion des Betrachters, der ergänzt, konstruiert, seinen Standpunkt im wörtlichen Sinn stets verändert und in die Werkwahrnehmung mit einbringt? Auf Aussenstation kann sich der Betrachter auf jeden Fall nicht begeben, er ist durch seine Anwesenheit involviert und Teil des Geschehens. Werkgestalt und Rezeption sind miteinander verbunden, aufeinander angewiesen.

Seit 1971 hat die Galerie das Schaffen von Fred Sandback mit 12 Ausstellungen begleitet.

Amy Baker Sandback hat mit Werken aus dem Nachlass die aktuelle Schau kuratiert.

Ausstellungen

Voranzeige: Jerry Zeniuk in der
Staatsgalerie Moderne Kunst Augsburger Glaspalast; Mai 2012

Rita McBride | Public Sculpture
Mae West, Effnerplatz München | www.ritamcbride.net

16. November 2008 – 2033
Sol LeWitt
A Wall Drawing Retrospective

Yale University Art Gallery and Williams College Museum of Art