Galeriebrief 5/2007

9. November 2007 bis 12. Januar 2008

SYLVIA PLIMACK MANGOLD
«Ich schulde Ihnen die Wahrheit in Malerei, (...la vérité en peinture...) und ich werde sie Ihnen sagen.» Das Versprechen, das Paul Cézanne in einem Brief vom 23.Oktober 1905 seinem Briefpartner, dem Maler Emile Bernard gegeben hat, veranlasste 1978 Jacques Derrida und 1982 Louis Marin dazu, feinsinnige Texte zu verfassen. Dass der Maler die Wahrheit, die seine Werke aufweisen, mit Sprache sagen will beschäftigt gleichermassen den Philosophen wie den Kunsthistoriker. Und äusserst genau stellt Louis Marin fest: «Derart sind wir – zugunsten jener Distanzierung durch den Diskurs und in denselben – von der opaken Vermittlung der sprachlichen Zeichen zur transparenten Unmittelbarkeit des Blicks übergegangen: wir sind mittels der Wahrheit von der einen zur anderen übergegangen.» (L.M. 'Texturen des Bildlichen' diaphanes 2006) Auf was aber richtet sich der Blick, auf das, was das Gemälde zeigt, oder auf das Werk, das sich selbst zeigt ?

In diesem Spannungsfeld bewegt sich die Malerin Sylvia Plimack Mangold. Wahrheit gibt auf völlig unprätenziöse Weise ihrem Schaffen seit vierzig Jahren ein Zentrum.

Das Motiv, das die Künstlerin einem arbeits- und zeitintensiven Aneignungs- und Transformationsprozess unterzieht, bleibt durchgehend Vorwurf und Referenz. Seine Funktion ist vielfältig, wandelbar, inspirie-rend. Die Werke, die zwischen 1967 und 1975 in New York entstehen, zeigen präzise die perspektivisch erfasste Räumlichkeit, die Texturen, das Licht und die Stimmung ihres unmittelbaren Arbeits- und Lebensraumes. Alle Aspekte werden gleichsam festgestellt. Eine Versuchsanordnung, manchmal unter Einbezug eines Spiegels, oder etwa von Lichtflecken, später von Masstäben und in Trompe-l'oeil Manier gemaltem Klebeband stellt der anschaulichen Wahrheit die Täuschung gleichberechtigt zur Seite.

Nach 1976 malt Sylvia Plimack Mangold Werke, die die Attribute und Eigenschaften, sowie die Machart der Bilder präsentieren und repräsentieren. Machart versteht sich hier im nobelsten Sinne des Wortes. Sie ist die Verkörperung des Bildobjekts, seine sinnlich erfahrbare Gegenwart.

Der Umzug ins Tal des Hudson-River ermöglicht zunächst radikale, beinahe abstrakte und selbstbezügliche Bildlösungen. Dann, allmählich, in überlegten Schritten erfolgt der Wiedereintritt des Bildmotivs, zunächst der Landschaft, die nunmehr tagtäglich präsent ist. Nachtlandschaften und Abendstimmungen mit tiefen Horizonten, mit grosszügigem Pinselstrich und Duktus gemalt vermitteln die Freude und die Lust am Malen und am Gelingen.

Immer ist das malerische Handwerk von Sylvia Plimack Mangold betörend. Direkte Notwendigkeit führt den Pinselstrich, bestimmt Zeichnung und Farbauftrag. Ein langes, aufmerksames Zwiegespräch, das Se-hen und Tun, Wissen und Erfahrung fokussiert und, gefasst durch das Bildgeviert, zum Ganzen, zum Werk findet.

Mitte der achziger Jahre beginnt die intensive Untersuchung eines Bildthemas. Die Bäume, die in unmittelbarer Umgebung des Studios in einer Gruppe zusammenstehen werden zu den bevorzugten Modellen von Sylvia Plimack Mangold: 'The Maple Tree', 'The Maple Tree with Pine', 'The Pin Oak'. Winter- und Sommerbilder, Naturzyklus und Lebenszeit bilden den generalisierten Sinnhorizont. Die unerbitterliche Orientierung der Malerin an der Faktizität des Motivs distanziert das Bildobjekt, verhindert jeden vordergründigen Naturalismus. Widerstand erwächst dem Bildgeviert durch die Beschaffenheit des jeweiligen Baumes, seiner eigenständigen markanten Räumlichkeit. Die Malerin ist Beobachterin erster und zweiter Ordnung. Im gleichen Masse, in dem die Nähe zum Bild, das im Entstehen ist, zunimmt, entfernt sich der Bildgegenstand. Die Verlässlichkeit der Aussenwelt wird Teil der Wahrheit des Bildes.

Sylvia Plimack Mangold hat die Bilder und Aquarelle unserer Ausstellung zwischen 2004 und 2007 gemalt. Die Galerie Alexander und Bonin zeigte sie vom 8. September bis 13. Oktober in New York. Wir danken der Künstlerin, sowie Carolyn Alexander und Ted Bonin dafür, dass sie uns diese bedeutende Werkgruppe überlassen haben.

Hinweise:

David Rabinowitch, Chinati Foundation Marfa, Texas, USA
7. Oktober 2007 – 2008

James Bishop, Malerei auf Papier,
Josef Albers Museum, Bottrop, Deutschland, 16. Dez. 2007 – 17. Feb. 2008