Galeriebrief 4/2023

11. Oktober 2023 bis 16. Februar 2024

Will Insley (1929–2011)

Drawings, Photographs and Fragments of Abstract /Buildings/

Nach Ausstellungen in den Jahren 1974 und 1976 freut sich die Annemarie Verna Galerie, mit “ Will Insley. Drawings, Photographs and Fragments of Abstract /Buildings/” die dritte Einzelpräsentation des Künstlers in ihren Räumlichkeiten zu zeigen.

Will Insley (1929–2011) war ein amerikanischer Künstler, der sich – trotz seines Architek-turstudiums – dafür entschied, als Künstler zu arbeiten und gleichwohl wie ein Architekt zu denken. Seine Visionen einer künftigen Zivilisation ist ein Hybrid aus Kunst und Architektur. Mehr als 50 Jahre lang schuf er Gemälde, Zeichnungen, Schriften, Modelle und Fotomonta-gen, die seiner Auseinandersetzung mit einer theoretischen Zivilisation und seiner Konzent-ration auf deren einzige Metropole ONECITY entsprangen: einer labyrinthischen Struktur zwischen den Colorado Mountains und dem Mississippi. Insleys ONECITY kann als dystopi-sche Antwort eines Künstlers auf die allgegenwärtigen Fragen der wachsenden Bevölke-rungsdichte, der globalen Erwärmung und des Klimawandels verstanden werden. Seine In-terpretationen wurden vor fast vierzig Jahren festgehalten:

“[Insley] malte sich aus, dass amerikanische Städte irgendwann nicht mehr als Wohnorte dienen können. Die Menschen werden als Nomaden auf dem Land le-ben, ihre Ressourcen zusammenlegen und einen Komplex bauen, der sie alle be-herbergt – ein letzter verzweifelter Versuch ihre Differenzen beizulegen und ihr Überleben zu sichern.”
(Will Insley und Maurice Poirier von Artnews anlässlich der Einzelausstellung von Insley 1984 im Guggenheim Museum)

Alle grossen Künstler scheinen von einer göttlichen Vision besessen zu sein. Ob diese ihren Erfahrungen, Philosophien oder künstlerischen Praktiken entspringt, bleibt der Interpretation des Historikers oder Betrachters überlassen und findet sich in vielen Fällen in den Wortäusserungen der Künstler selbst. Will Insley ist einer jener Künstler: Sein künstlerisches Hauptwerk ONECITY entstand zwischen den 1950er- und 1990er-Jahren als komplexe Visi-on, die Ideen von Raum, Zeit, Mythologie und Abstraktion miteinander verwebt. Diese wur-de immer ausgefeilter und er konkretisierte die verschiedenen Bereiche von ONECITY: Inte-rior Building, Opaque Library, abstract /buildings/ und das Hauptlayout der Metropole. Der Zweck dieser zukünftigen einzigen Stadt Amerikas blieb unklar. Insley hielt seine Erkennt-nisse in Form von Kunstwerken fest: Wall Fragments, Fotomontagen und komplexe Zeich-nungen, an denen er teilweise bis zu zehn Jahre arbeitete. Daneben entstand “Fragments from the Interior Building”, ein poetisch-obskures Tagebuch und These zugleich – ein Buch voller Informationen über ONECITY und deren outer /buildings/, aber auch mit religiösen Reflektionen.

Die Ausstellung in der Annemarie Verna Galerie zeigt Zeichnungen und Fotomontagen der abstract /buildings/. Insley hielt fest, dass “der einzige Grund für die Existenz der /buildings/ darin besteht, räumliche Situationen zu schaffen, die mit den religiösen Überzeugungen der Zivilisation von ONECITY übereinstimmen. Im Zentrum stehen die Horizontlinie und das Durchschreiten eines Raumes auf dieser Linie zwischen Erde und Himmel.” Die Fragmente sind massstabsgetreue Belege aus der Opaque Library. Sie zeigen die Konfigurationen des Lichts auf den Wänden der Bibliothek.

Insleys Projekte sind geprägt von den Kindheitserfahrungen, die er in der offenen Landschaft von Indianapolis machte, wo er neben einem seit Jahren leerstehenden modernen Gebäude wohnte. Als er das verbotene Gebiet erforschte, erlebte er zum ersten Mal ein Gebäude ohne aktuelle praktische Funktion. Als Insley 1947 ans Amherst College in Massachusetts ging, entdeckte er zufällig ein unterirdisches Tunnellabyrinth voller Heizungsrohre und durchquer-te dieses über viele Nächte hinweg voller Neugier. Während seines Studiums an der Harvard Graduate School of Architecture setzte er seine Streifzüge in Cambridges Strassen und leer-stehenden Gebäuden fort. Nach seinem Abschluss und zwei Jahren in der Armee zog Insley nach New York City, wo er eines Abends nach Geschäftsschluss ein offenes Tor zur Grand Central Station entdeckte. Bevor er von einem Wachmann hinauskomplimentiert wurde, konnte er das immense Gewölbe allein durchstreifen und dessen Erhabenheit erleben. Kurz darauf begann er, Nacht für Nacht durch die New Yorker Strassen zu schweifen, um die Rasterstruktur der Stadt zu studieren und seine eigene geistige Landkarte von New York City zu zeichnen.

Für Will Insley waren solche mentalen Räume von Bedeutung. Der menschliche Geist war für ihn denn auch eine abstrakte architektonische Struktur, und er widmete sein ganzes Leben der Beantwortung seiner eigenen Fragen über die Welt, in der wir leben, über die Vergangenheit, die Gegenwart und die Zukunft.

Insleys ONECITY vermag noch heute zu überraschen und konfrontiert die Besucher:innen mit Vorstellungen eines Lebens in einer zukünftigen Metropole und den Folgen von vergan-genen und aktuellen Umweltentwicklungen.

(Adaptation einer Presseveröffentlichung der Westwood Gallery, New York 2023)

Ausstellungen / Insight

INSIGHT #3 beleuchtet das zeichnerische Werk von Fred Sandback anhand von drei Beispielen aus den Jahren 1974 und 1982.

 

Will Insley, Vision of a Future Civilization, Westwood Gallery, NYC
8. September bis 4. November 2023

Rita McBride, Particulates, Hammer Museum, Los Angeles
26. März bis 25. November 2023

Rita McBride, Momentum,
Dia Beacon,
Beacon, NY
1. Juli 2023 bis Januar 2025

Sol LeWitt (1928–2007)
A Wall Drawing Retrospective
Yale University Art Gallery and Williams College Museum of Art
16. November 2008 – 2033

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